Die Uelzener Entschließung wurde 1950 durch das Notaufnahmegesetz außer Kraft gesetzt. Das bisherige formlosen Verfahren war damit mit rechtsstaatlichen Garantien ausgestattet. Die Initiative dazu war vom Land Niedersachsen ausgegangen, das sich im Oktober 1949 mit der Bitte an die Bundesregierung gewandt hatte, die Abwanderung aus der DDR zu regulieren.
Der in dieser Sache maßgeblich agierende Minister Heinrich Albertz zielte mit seinem Bestreben auf einen Wegfall der Notlösung ab, da sie noch keine befriedigende Lösung zur Entlastung des Landes Niedersachsen gebracht hatte. Denn nach wie vor hielten sich im Umfeld des Durchgangslagers viele Menschen auf. deren Schicksal nicht geklärt war und die versorgt werden mussten. Ferner war Albertz mittlerweile zu der Auffassung gelangt, dass es in dieser Situation moralisch äußerst schwierig war, Aufnahmesuchenden ein Aufenthaltsrecht zu verweigern.
Merkmale des Gesetzes
Das Gesetz unterschied dann drei Gruppen von Migranten: a. Politische, b. im Ermessensweg Aufgenommene und c. Illegale. Nur der als politisch verfolgt anerkannte Flüchtling durfte Sonderrechte beanspruchen. Das Gesetz enthielt damit eine Beschränkung der Freizügigkeit der Deutschen aus der DDR. Die Quotenlösung war weggefallen, allerdings blieb weiterhin noch ungeklärt, wie mit den nicht anerkannten Flüchtlingen zu verfahren war, was besonders im überfüllten Berlin, hier war das Gesetz ab 1952 gültig, von besonderer Dringlichkeit war. In Berlin durften Abgelehnte im Gegensatz zum Bundesgebiet weder Arbeit annehmen noch Arbeitslosenhilfe beanspruchen. Sie hatten lediglich Anspruch auf öffentliche Fürsorge, die später zurückgezahlt werden musste.
Mit Wirkung zum 11.6.1951 unterstand die Durchführung des Gesetzes der Kompetenz des Bundesministeriums für Vertriebene, das seine Aufgaben mit Bundespersonal versah. Die Aufnahmeausschüsse waren einheitlich mit drei, die Beschwerdeausschüsse mit fünf Mitgliedern besetzt. Bei der Berufung der Mitglieder wurde auf besondere Sachkenntnis Wert gelegt. 1952 gab es in Uelzen 25 Mitglieder der Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse sowie 65 weitere Bundesbedienstete, die für Bürotätigkeiten angestellt waren. Die Lagerleitung mit der Verwaltung und dem Gesundheitsdienst unterstand dem Niedersächsischen Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte und führte ihre Aufgaben mit Bediensteten des Landes Niedersachsen durch. Sie unterstanden der Dienstaufsicht des Regierungspräsidenten in Lüneburg.
Ziel und Zweck des Zuzugsgesetzes war, den Zustrom aus der DDR in geordnete Bahnen zu lenken, aber auch ihn einzuschränken. Nach den Bestimmungen des Notaufnahmegesetzes war der Zuwanderer zwar verpflichtet, sich in einem Notaufnahmelager zu melden, es stellte die Verletzung der Meldepflicht aber nicht unter Strafe. Das Gesetz traf keine Bestimmungen über Zurückweisungen in den Herkunftsort. Deshalb konnten auch Abgewiesene im Westen verbleiben, wenn sie nicht freiwillig in die DDR zurückkehren wollten, was selten der Fall war.
Der nicht anerkannte Flüchtling
Der nicht anerkannte Flüchtling erhielt keinen Vertriebenenausweis, hatte keine Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz und konnte sich nicht als Wohnungssuchender in die entsprechenden Listen eintragen lassen. In der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes war er teilweise beschränkt. Er konnte dagegen in Arbeit vermittelt werden und erhielt auch Arbeitslosenunterstützung bzw. Arbeitslosenfürsorge. Die aufgenommenen Flüchtlinge wurden nach dem gültigen Verteilerschlüssel auf die Bundesländer verteilt, der von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Bundeslandes abhängig war. Das größte Aufnahmeland war in den Jahren bis zur Schließung des Lagers Nordrhein-Westfalen.
Nach dem Notaufnahmegesetz gab es in Niedersachsen zwei staatliche Flüchtlingsdurchgangslager: Uelzen, das auch für die Jugendlager zuständig wurde, war zentrales Aufnahmelager für illegale Flüchtlinge, und Friedland war für die Aufnahme von Kriegs- und Spätheimkehrer sowie Spätaussiedler vorgesehen. Uelzen erhielt die offizielle Bezeichnung „Notaufnahmelager Uelzen-Bohldamm.“
Konflikte zwischen CDU und SPD
An dem Vorgehen des Sozialdemokraten Heinrich Albertz zeigt sich auch der Unterschied zur Regierungspartei CDU, der die folgenden Jahre bestehen blieb. Albertz änderte seine frühere Haltung hinsichtlich einer Einschränkung der Aufnahmezahlen. Diese Auffassung wurde auch auf Bundesebene von der SPD vertreten, denn die Partei forderte mit ihrer Einreichung eines Gesetzentwurfes am 16.12.1949 grundsätzlich die Aufnahme von allen Deutschen – mit Ausnahme von Kriminellen. In der Bundestagsdebatte zur Verabschiedung des Gesetzes wurde die Haltung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der DDR nochmals vom sozialdemokratischen Abgeordneten des Kreises Uelzen, Pastor Priebe, verdeutlicht. Priebe führte u.a. aus:
„Der Landkreis Uelzen, dessen Bevölkerung auf mehr als das Doppelte durch den Zustrom der Flüchtlinge angewachsen ist, dessen Wohlfahrtslasten einen geradezu ungeheuren Umfang angenommen haben, dessen finanzielle Lage trostlos genannt werden kann… der besser als kaum ein anderer die Lage der Illegalen kennt, ist einmütig der Ansicht, dass wir nicht das Recht haben, denjenigen unsere Hilfe zu versagen, die im westdeutschen Bundesgebiet Zuflucht suchen. Wenn ich zu Beginn des vergangenen Winters für nötig gehalten habe, einen Aufruf zu veröffentlichen und um Hilfe für die sogenannten Höhlenbewohner zu bitten – und an dieser Stelle möchte ich all den Freunden im In- und Auslande meinen Dank sagen , die wesentlich dazu beigetragen haben, den Notleidenden zu helfen – und wenn wir uns darüber klar sind, dass sehr viele nicht verdienen, unterstützt zu werden, so wissen wir doch, dass keine Stelle, keine Länderkommission in der Lage ist, gerecht zu urteilen.“
Die parlamentarische Mehrheit entschied aber, die Freizügigkeit von Deutschen einzuschränken und nur bei besonderen Fällen eine Niederlassung auf bundesdeutschem Gebiet zu gewähren. Dabei wurde vor allem auf die wirtschaftlich schwierige Lage und einer drohenden Gefährdung Westdeutschlands verwiesen. Es wurde aber auch mit der Angst vor einer „Entleerung“ der DDR argumentiert, die in den folgenden Jahren beibehalten wurde und mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland noch mehr Gewicht bekam. Die Furcht. dass sich die Geschichte gewissermaßen wiederholen und mit den Menschen auch das gesamte Territorium verloren gehen könnte, saß bei vielen tief. Die Deutschen in der DDR sollten sich vor Ort für eine Wiedervereinigung einsetzen.
Aufweichung der Aufnahme
In den folgenden Jahren wurde die Aufnahme aber immer mehr „aufgeweicht“. Bis 1961 waren 86 % der Zuwanderer, die einen Antrag gestellt hatten, aufgenommen worden. 14,2 % der Aufgenommenen waren anerkannte politische Flüchtlinge, die übrigen wurden aus anderen Gründen wie Familienzusammenführung, ausreichender Lebensgrundlage und auf dem sogenannten Ermessenswege aufgenommen. Sie erhielten einige, aber nicht alle Vergünstigungen. Innerhalb dieser Gruppe stellten die auf dem Wege des Ermessens Aufgenommenen mit 70 % den höchsten Anteil.
Insgesamt auffallend war der hohe Prozentsatz jugendlicher Flüchtlinge, etwa die Hälfte der Flüchtlinge war jünger als 25 Jahre. Jugendliche bis 24 Jahre erhielten grundsätzlich eine Aufnahme (auf dem Ermessensweg).
Das Zuwanderungsproblem der ersten Nachkriegsjahre verlor mit den Jahren des begıinnenden „Wirtschaftswunders‘“ an Dramatik. Das Wirtschaftswachstum der fünfziger Jahre benötigte viele Arbeitskräfte – die Bundesrepublik war dadurch für junge Zuwanderer besonders attraktiv -, sodass letztlich das Gesetz immer mehr die Funktion einer besseren Verteilung der Menschen auf die einzelnen Länder hatte. Dennoch blieb es im Kern bis 1990 in Kraft.