Einige der Angestellten des Lagers wohnten mit ihren Familien im Lager. Aufgrund des allgemeinen Wohnungsmangels wurden sie in seitlich des Lagers angelegten Nissenhütten untergebracht. Im Laufe der Zeit konnten zwar mit verschiedenen Wohnungsbauprogrammen etliche Mitarbeiter innerhalb Uelzen untergebracht werden. Die improvisierte Form der Unterbringung in den Nissenhütten blieb aber aufgrund der anhaltend schwierigen Wohnsituation bis zur Auflösung des Lagers bestehen. Abgesehen davon, dass der Wohnort dieser Familien ursprünglich nicht freiwillig gewählt worden war, sondern wegen fehlender Alternativen,ist es dennoch interessant,etwas mehr über diesen Alltag im Lager zu erfahren.
Eine dieser ,,Lagerfamilien“ lebte von Anfang an im Lager. Der Mann stammte aus dem Osten und gehörte zu den Soldaten,die für den Aufbau des Lagers eingeteilt worden war. Er blieb in Uelzen und im Bohldammlager und war dann als Leiter der Barackenaufsicht angestellt. Seine Frau hatte er als Soldat während des Krieges kennengelernt. Die Ehefrau erinnert sich:
Wir haben 1950 geheiratet und sind auch gleich in eine Nissenhütte gezogen. Zuerst wohnte noch ein Ehepaar mit drin: Eingang, ein kleiner Vorraum,dahintereine kleine Diele, dahinter die Küche. Jedenfalls haben wir es als Küche gehabt, da ging es durch und wurde noch einmal in Schlaf- und Wohnzimmer geteilt. Es waren vielleicht 40 qm Ganz zu Anfang, war ja noch alles sehr beengt, haben die in unserer späteren Küche gewohnt, und wir hatten eine Küche gemein- sam. Wir sind gut zusammen ausgekommen. Der Mann war nur vorübergehend in Uelzen, kam aus einem anderen Lager, das aufgelöst wurde. Die sind wieder zurückgegangen nach Nordrhein- Westfalen, glaube ich. Und dann haben wir die ganze Nissenhütte gekriegt. Wir haben da bis 1960 gewohnt..Die Nissenhütte war doppelwandig. Außen und Innen war Wellblech, die ungefähr fünf Zentimeter mit Sägespäne isoliert war. Das war gar nicht schlecht. Das war warm, für den Übergang vollkommen richtig. Allerdings waren die nicht für die Ewigkeit gemacht, irgendwann sackten die Sägespäne ab, da kam die Kälte durch. Dann wurden die nachher abgerissen und wir zogen hier hoch. Da, wo wir gewohnt haben, ist heute die Einrichtung für behinderte Kinder. Drei große und sechs kleine Hütten standen dort. Die Eingangstür, wo wir immer durchgingen,ist heute noch da, glaube ich. Die anderen hatten größere Räume. Ein Bad hatten wir nicht, wir haben uns in der Küche gewaschen und konnten außerdem die Duschräume für die Angestellten benutzen. Da waren ja dem Alter entsprechend Krippen und Kindergärten,das war sehr schön. Mein Sohn ist dort auch in den Kindergarten gegangen. Er ist gen dort hingegangen…Ach ja, es war wirklich ganz nett. Wissen Sie, es sind viele Menschen vorbei gegangen,die noch sehr beengt wohnen mussten und die sagten uns immer, wir wüssten gar nicht, wie gut wir das hätten…Unsere Nissenhütten hatten nur einen ganz normalen Zaun mit einer Eingangstür. Das waren ganz normales Leben, da war nichts abgesperrt.. In die Kulturhalle bin ich nicht viel gegangen, nur so zu Weihnachtsfeiern oder wenn so mal kleine Aufführungen waren, aber ansonsten hat es sich nicht so ergeben. Die Einrichtungen wie Wäscherei konnten wir gut nutzen. Von den Flüchtlingen haben wir nicht so viel mitgekriegt, war ja auch Alltag.
Für die junge Frau war das Leben im Lager ein ganz normales Alltagsleben. Der Beruf des Ehemannes hatte, vielleicht wurde gerade wegen der räumlichen Nähe besonders darauf geachtet,keinen Einfluss auf das Privatleben.Die Nissenhütten waren zwar sehr schlicht, aber angesichts der allgemeinen schwierigen Wohnsituation waren sie nicht unbedingt schlecht. Der Kontakt zu den Kollegen war offensichtlich gut, dass man nichts vermisste und sich wohl fühlte. Eine andere Nissenhüttenbewohnerin war Hanna Gross, älteste der drei Töchter von Hermann Gross, dem Verwaltungsleiter des Lagers. Die Familie hatte bis 1955 in Ebstorf gewohnt und zog nun aufgrund der beruflichen Verpflichtung des Vaters in eine der größeren Nissenhütten ein.
Frau Gross erzählt:
Für uns war das abenteuerlich,vom Land in die Stadt. In der Nissenhütte krachte öfters mal der Fußboden ein, weil ein Hohlboden darunter war. Ich hatte mein Zimmer hinten im Anbau, das war wie ein Stall, mit Kanonenofen, im Winter war das Eis an den Wänden. Aber es war wildromantisch… Die Nissenhütten waren ganz winzig, ein Wohnzimmer, Küche, ein Schlafzimmer, Terrasse davor. Da haben wir mit fünf Leuten gehaust. Im Sommer konnte man hinten im Stall schlafen, aber nicht im Winter. Deshalb war die Terrasse auch so wichtig. Eigentlich wollten wir da gar nicht wegziehen, aber mein Vater wurde pensioniert und das Lager aufgelöst. Das Kulturangebot war für mich als Jugendliche natürlich absolut gut.
Familie Gross führte ein offenes Haus, ständig wurden Mitarbeiterund Gäste auf der Terrasse der Nissenhütte empfangen, wie die Tagebucheintragungen von Hermann Gross belegen. Die gesamte Familie war außerdem ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagiert, der Wohnort im Bohldammlager war als Kontakt- und Anlaufstelle gut geeignet. 254 unangenehm empfunden, wie allgemein in dieser Zeit noch keine großen Ansprüche an Wohnqualität gestellt werden konnten. Ein gewisser Ausgleich für die beengten Wohnverhältnisse wurde durch einige Angebote innerhalb des Lagers geboten.So konnte die junge Ehefrau und Mutter beispielsweise für ihr Kind den Kindergarten des Lagers nutzen, das junge Mädchen war begeistert von den kulturellen Freizeitangeboten.
Das „Lagerleben“ erforderte sicherlich auch ein gewisses Maß an Anpassungsbereitschaft und Improvisationstalent, was aber in einer Zeit, in der noch viele Menschen in Notunterkünften leben mussten, nicht unbedingt ungewöhnlich war.