Die Beschaffung von Wohnraum war eines der großen Probleme der Nachkriegszeit. Gleichzeitig bedeutete Wiederaufbau, und in diesem Rahmen der soziale Wohnungsbau, wirtschaftliche Schubkraft und Symbol der neuentstandenen Bundesrepublik. Die Bedeutung, die der Wohnungsbau innerhalb der Flüchtlingspolitik einnahm, wurde bereits im Rahmen der Erläuterung des Flüchtlingsaufkommens 1952/53 und den darauf hin einsetzenden Maßnahmen deutlich.

Mit den zwei Bundesbaugesetzen von 1950 und 1956 wurde die Wohnungsbaupolitik grundlegend strukturiert. Die Bundesländer konnten nur in diesem Rahmen agieren und waren außerdem durch den Verteilungsmodus der Finanzierungsmittel vom Bund abhängig. Ein weiteres Kennzeichen bundesrepublikanischer Wohnungspolitik war die zweckgebundene Mittelzuweisung zugunsten bestimmter Gruppen, z.B. für Staatsbedienstete. Vertriebene und Flüchtlinge waren bei der Wohnungssuche ım Nachteil, was von staatlicher Seite durch Sonderprogramme und Lastenausgleich abgemildert werden sollte.

Niedersachsen sah sich als flüchtlingsreiches und industriearmes Land vom Verteilungsverfahren des Bundes benachteiligt und war während der fünfziger Jahre auch wegen seiner schwachen Finanzkraft das Land mit dem höchsten Wohnungsdefizit. Im Jahr 1952 lebten noch 162.000 Menschen in Baracken. Allerdings konnten bis zum Jahr 1961 690.000 Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt werden, wobei der Trend in Niedersachsen, stärker als in anderen Ländern, zum Eigenheim tendierte. 1948 wurde für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbau die Landestreuhandstelle eingerichtet. Den Kommunen kam dabei die Aufgabe zu, die Wohnungen innerhalb der Bevölkerung nach Solvenz zu vergeben, wobei „Problemgruppen“ wıe Großfamilien oder gar Alleinerziehende es ungleich schwerer hatten, eine Wohnung zu erhalten.

Gesellschaft für Wohnungsbau des Kreises Uelzen

Auch in Uelzen stand die Beseitigung der Wohnungsnot im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Das städtische Wohnungsamt hatte 1949 aufgrund des Bevölkerungszuwachses einen Zuwachsbedarf von etwa 1.500 Wohnungen ermittelt. Bereits 1950 wurde mit Hilfe der im Vorjahr gegründeten gemeinnützigen „Gesellschaft für Wohnungsbau des Kreises Uelzen“ (GWK) die Bebauung des Kagenbergs östlich der Stadt als erstes geschlossenes Wohnbaugebiet in Angriff genommen. Bis 1957 war die Bebauung dort abgeschlossen,
In dieser Zeit waren auf dem Kagennnberg mit dem Bau von 136 Doppel-, Einfamilien- wie Reihen- und Miethäusern 322 Wohnungen für mehr als 1.500 Menschen entstanden. Eine Wohnung hatte eine durchschnittliche Größe von 51,39 m2. In diesem Zusammenhang wurde schon damals vorausschauend der 1. Garagenhof in die Planung aufgenommen. Ein besonderer Augenmerk lag für die GWK in der Erstellung von Wohnraum für Vertriebene, Flüchtlinge und Zuwanderer aus der DDR, die meist in unzureichendem Wohnraum untergebracht waren und dort häufig über Jahre auszuharren hatten und denen nun mit verschiedenen Förderprogrammen geholfen werden sollte. Beispielhaft für den Kreis Uelzen ist hier sicherlich die Situation in Bodenteich. Dort wurden nach dem Krieg viele Vertriebene und Flüchtlinge ın den Baracken auf dem Gelände der 1938 errichteten Heeresmunitionsanstalt „Muna“ untergebracht. 48 Prozent der Einwohner von Bodenteich waren Neubürger.
„Am 20. Januar 1949 wurden die Baracken offiziell als Kreisflüchtlingsunterkunft eingeweiht, mit Ratsbeschluss vom 8. Dezember 1949 sogar ein eigener Ortsteil.“ (50 Jahre GWK) Bis 1958 wurden hier die Baracken geräumt und statt dessen Reihenhäuser für die Neuzugekommenen erstellt.

Flüchtlinge aus der DDR

Flüchtlinge aus der DDR hatten nach der Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetztes zwar keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen des Lastenausgleichs, konnten aber aus einem Härtefonds Beihilfen zum Lebensunterhalt, Aufbaudarlehen oder Mittel für den Wohnungsbau erhalten, sofern sie als anerkannte politische Flüchtlinge — mit dem C-Schein ausgestattet galten. 1955 wurde zwischen Bund und Ländern eine Vereinbarung zur Finanzierung des Wohnungsbaus zugunsten von DDR-Flüchtlingen getroffen, wonach die Bundesländer für jeden Zuwanderer über 24 Jahre einen Förderbetrag von 1.500 DM zum Bau von Wohnraum erhielten. Die Förderung war bereits 1953 als zu der Zeit einmalige Leistung erbracht worden und wurde in der Folgezeit noch weiter aufgestockt. Der Zuzug wurde dadurch für die Länder noch attraktiver, gleichzeitig spielte der vorhandene Wohnraum bei der Verteilung der DDR-Flüchtlinge auf die Bundesländer eine Rolle. So erhielt Nordrhein-Westfalen Anfang der fünfziger Jahre 64 % der Zuwanderer, 1953 sank die Quote aber wegen der erneuten Rücksichtnahme auf die Wohnsituation auf 43 % ab.

Im Kreis Uelzen war im sozialen wie privaten Wohnungsbau in den fünfziger Jahren eine rege Tätigkeit zu verzeichnen. Allein in Uelzen waren von 1950 bis 1956 fast 2.000 neue Wohnungen erstellt worden. Ende der fünfziger Jahre wurde bereits geklagt, dass das Bauland immer knapper würde. Sonderprogramme zur Wohnraumbeschaffung gab es auch für die Angestellten des Bohldammlagers, die oft nur provisorisch im Lager untergebracht waren, da außerhalb kein Wohnraum gefunden werden konnte.

Die Nissenhütten

Die Nissenhütten auf dem Lagergelände, in denen einige der Angestellten mit ihren Familien lebten, sollten ach Ansicht der zuständigen Behörde gegen Ende fünfziger Jahre abgerissen werden, da sie mittlerweile nicht mehr den allgemeinen wohnungsgerechten Ansprüchen genügen konnten. Baracken, die ja auch die Not der unmittelbaren Nachkriegszeit symbolisierten, waren nun in den Zeiten des beginnenden wirtschaftlichen Aufschwunges nicht mehr akzeptabel und sollten aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden. Die AZ hatte bereits 1952 gar den Beginn eines „Barackenvernichtungsprogramms“ angekündigt. Trotz vielfältiger Bemühungen verschwanden die Baracken erst allmählich aus dem bundesrepublikanischen Alltag und entsprechend verhielt es sich mit den Unterkünften in Flüchtlingslagern. 1953 gab es in Niedersachsen noch 1.623 Flüchtlingslager mit mehr als zwanzig Bewohnern. Insgesamt mussten noch 142.000 Menschen auf diese Art und Weise leben. Im Jahr 1958 gab es immerhin noch 907 Lager mit 75.433 Bewohnern.

Die sich noch auf dem Lagergelände befindenden Nissenhütten waren dem zuständigen Ministerium aus genanntem Anlass ein Dorn im Auge. So wurde nach einer Lagerbesichtigung im Juli 1958 festgestellt, dass noch immer neun Familien von Lagerbediensteten in Nissenhütten lebten. Man solle nun Sorge dafür tragen, dass für diese mit Hilfe von öffentlichen Mitteln Häuser gebaut würden.

„Da diese Nissenhütten auf Lagergelände stehen, wäre diese Maßnahme nicht nur aus Gründen der Wohnungsfürsorge, sondern auch von rein optischen Gesichtspunkten aus zu befürworten, obwohl, sechs von diesen neun Familien, die in Nissenhütten wohnen, darum gebeten hatten, nicht als Wohnungssuchende namhaft gemacht zu werden. Diese Bitte kann aber auf Dauer keine Berücksichtigung finden, da sie wahrscheinlich nur auf Grund der relativ niedrigen Mietsätze für Nissenhütten vorgebracht wurde. Im Interesse des Gesamteindrucks des Lagers ist die Beseitigung dieser Nissenhütten erstrebenswert.“

Dazu kam es bis zur Auflösung des Lagers aber nicht mehr und in den Jahren zuvor hatte es immer wieder zu Schwierigkeiten geführt, Wohnungen für die Mitarbeiter des Lagers zu finden. Die Lagerleitung war außerdem verpflichtet, innerhalb oder zumindest in Nähe des Lagers zu leben.

Wohnraum für die Mitarbeiter das Lagers

So waren in den Jahren 1952 und 1953 siebzig Wohnungen für die Bediensteten des Aufnahmeverfahrens geschaffen worden. Im Sommer 1953 hatte deshalb der Betriebsrat der Angestellten des Landes Niedersachsen den Antrag auf Mittel für Wohnraumbeschaffung gestellt, der zwar vom Regierungspräsidenten wohlwollend weitergereicht wurde, den Betricbsangehörigen zunächst aber „wegen der geringen Höhe der Bauförderungsmittel weder im allgemeinen sozialen Wohnungsbau noch im StaatsbedienstetenWohnungsbau ausreichend geholfen werden konnte.“ Doch nach einer Unterredung der Leiterleitung und der Wohnbaugenossenschaft konnte eine erste Abhilfe geschaffen werden. Die Stadt Uel. zen konnte geeignetes Wohnbaugelände zur Verfügung stellen, die erste Hypothek wurde von der Kreissparkasse gestellt und eine Finanzierungshilfe in Höhe von 5000 Mark für Bauende und 2.500 Mark für Einlieger wurde gewährt. 1954 wurden weitere 100.000 Mark an öffentlichen Geldern für den Wohnungsbau bereit gestellt und es wurden zwanzig Mietwohnungen und fünf Eigenheime errichtet. 1955 stellte das niedersächsische Sozialministerium 120.000 Mark für den Bau von zwanzig weiteren Wohnungen zur Verfügung. So entstanden im Laufe der fünfziger Jahre Landesbedienstetenwohnungen in der Meyerholzsstraße, Hauenriede, Vorberg, Haferkamp und in der Groß Liederner Straße. Obwohl Gelder für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden konnten, z.B. 1958 150.000 Mark aus den Mitteln des Sozialministerium, war die Lage in all den Jahren sehr angespannt. Dies zeigte sich beispielsweise auch darin, dass erst 1957 für den evangelischen Pfarrer eine Dienstwohnung außerhalb des Lagers gebaut werden konnte.

Problematisch wurde die Situation erneut, als das Mädchenlager aus Westertimke nach Uelzen verlegt wurde und die dort tätigen Angestellten in Uelzen untergebracht wurden. Sie mussten zunächst direkt mit im Lager untergebracht werden, was eine Minderung der Lagerkapazität um 120 Plätze zur Folge hatte. Doch sollten in der Groß Liederner Straße neue Wohnungen entstehen. Die Angestellten wurden hinsichtlich ihrer Wohnungswünsche gefragt und auch an Investitionen beteiligt. Kurz vor der Bezugsfähigkeit wurde diesen Mitarbeitern dann lapidar die Auskunft – von Seiten der Stadt Uelzen – erteilt, dass sie nicht einzugsberechtigt seien. Zumindest eine der betroffenen Fürsorgerinnen konnte sich erfolgreich gegen diese Entscheidung zur Wehr setzen. In ihrem Beschwerdeschreiben zeigte sie sich empört, dass man drei Wochen vor dem geplanten Umzug plötzlich nicht mehr einzugsberechtigt sein sollte. Sie und dıe anderen Fürsorgerinnen hätten all die Jahre in Westertimke direkt im Lager gewohnt und wegen der dortigen Verhältnisse bereits gesundheitlichen Schaden erlitten. Es sei dort zugig gewesen, es habe Pilzbefall in den Wohnungen gegeben u.s.w. Als sich der Umzug nach Uelzen ergeben habe, seien sie nach ihren Wohnungswünschen befragt und in Listen eingetragen worden. Es sind niemals Bedenken von offizieller Seite verlautbart worden.

„Inzwischen sind unsere LAG-Mittel für diesen Neubau flüssig gemacht worden und vertraglich in Anspruch genommen worden. Alle Beteiligten haben, insbesondere in den letzten Monaten, erhebliche Investierungen und Kaufverträge abgeschlossen, die nicht rückgängig gemacht werden können.“

So habe man auf eigene Kosten elektrische Anlagen einbauen lassen, da nur Kohlefeuerung in den Wohnungen vorgesehen seı, die für Berufstätige schwer zu bewerkstelligen sei. Außerdem habe man Möbelanfertigungen in Auftrag gegeben u.s.w. Der Widerstand war zumindest in diesem Fall erfolgreich und die Frau konnte die für sie vorgesehene Wohnung auch beziehen.

Vermutlich war dieser Konflikt zustande gekommen, weil sich unter den Mitarbeitern aus Westertinke auch einige befanden, die nicht lastenausgleichsberechtigt waren, aus dessen Mitteln die Wohnungen gebaut wurden, was dann von der Stadt Uelzen moniert wurde.