Das Lager in Uelzen war bereits Anfang des Jahres 1948 komplett überbelegt. Die Zahl der in diesem Jahr aus der SBZ (sowjetischen Besatzungszone) kommenden Menschen wurde mit 103.568 angegeben. Die Stadt Uelzen erklärte sich unter diesen Umständen bereit, Flüchtlinge in zwei weiteren Baracken in der Lindenstraße unterzubringen. Durch die erschwerten Bedingungen war es jedoch nicht möglich, allen Ankommenden die erforderlichen Maßnahmen, wie beispielsweise die medizinische Untersuchung, zuteil werden zu lassen.

Tragische Zwischenfälle

Die Überfüllung und die ungewisse Situation schlug sich auch in der allgemeinen Stimmung nieder, die zu einigen tragischen Ereignissen führte. So vergiftete sich am 10. 9. 1948 ein Flüchtling im Bohldammlager mit Zyankali. Zu einem gewissen dramatischen „Höhepunkt“ kam es 1949, dem Gründungsjahr beider deutscher Staaten. Durch den anhaltenden Flüchtlingsstrom und der nach wie vor bestehenden Weigerung der anderen Bundesländer, Flüchtlinge aufzunehmen, sah sich Heinrich Albertz zum Handeln gezwungen. In dieser ohnehin angespannten Situation hatte zusätzlich das Auftreten von Typhusfällen bei Kleinkindern im Lager, denen drei Kinder zum Opfer gefallen waren, für Aufregung gesorgt.

Minister Albertz lehnte die Verantwortung für diese Vorkommnisse ab und erklärte, dies sei eine traurige Begleiterscheinung des unsolidarischen Verhaltens der anderen Bundesländer in der gesamten Flüchtlingsfrage. Er führte in diesem Zusammenhang während eines Lokaltermins des Landtages in Uelzen aus, dass es Ziel sei, das Bohldammlager zu erhalten. Voraussetzung sei jedoch eine bindende Verpflichtung aller Länder, den durch Uelzen regulierten Zugang abzunehmen. Die Erkrankungen und Sterbefälle der Kinder seien durch die Vorgehensweise des Lagers Wipperfürth im Siegerland (NRW) zu verantworten. Dort seien die Flüchtlinge nicht aufgenommen worden. Sie seien dort schlecht versorgt und teilweise erkrankt nach Uelzen geschickt worden.

Die unhaltbare Situation in Uelzen, die letztlich zur Protestschließung des Lagers führte, wurde von Minister Albertz in der Sitzung des Flüchtlingsausschusses verdeutlicht. Er stellte klar, dass der Anteil der Flüchtlinge in Niedersachsen mittlerweile fast 50 Prozent der Gesamtbevölkerung betrage. Seit dem 01.04.1949 seien die östlichen Regierungsbezirke Niedersachsens für Flüchtlinge gesperrt.

Auf dem Weg zur Protestschließung

Nach wie vor bestehe aber der Befehl der britischen Militärregierung, dass jedem nach Niedersachsen Zugewanderten Asyl gewährt werden müsse. Eine Übergangsregelung habe bisher aus Mangel an Gemeinschaftsgefühl anderer Bundesländer nicht vereinbart werden können. Es bedürfe daher demonstrative Maßnahmen, um diese zum Einlenken zu zwingen. Es habe daher vorgeschlagen, das Lager Uelzen für eine bestimmte Frist zu schließen. Der Flüchtlingsausschuss habe den Vorschlage des Ministers in seiner 20. Sitzung mit acht gegen zwei Stimmen bei einer Stimmenthaltung gebilligt, aber gleichzeitig der Auffassung Ausdruck gegeben, dass auf einer solchen Maßnahme eine derartige Verantwortung liege, dass sich das Plenum des Landtages mit der Frage befassen müsse. Die Frage werde auf der Landessitzung am 5./6. Juli 1949 auf der Tagesordnung stehen.

Lagerleiter Brauner ergänzte die Ausführungen des Ministers, in dem er den Aufbau des Lagers darstellte. Er betonte, dass die Aufnahmekapazität des Lagers einschließlich der Baracken in der Lindenstraße 2.100 Personen betrage. Die meisten von den täglich etwa 200 Menschen, die nicht in Uelzen aufgenommen werden könnten und an die anderen Länder verwiesen würden, kämen zurück, da sie dort abgewiesen würden.
Aufgrund des Einwirkens von Albertz beschloss der niedersächsische Landtag, das Bohldamm-Lager am 9.7.1949 zu schließen, um den Druck auf die Nachbarländer zu erhöhen. Am Eingangstor des Lagers wurde ein Schild angebracht, auf dem folgendes zu lesen war:

Geschlossen vom 9. Juli 1949, 24.00 Uhr an.
Das zentrale Flüchtlings-Durchgangslager Uelzen-Bohldamm ist am 9.7.1949 um 24 Uhr geschlossen worden.

Der niedersächsische Flüchtlingsminister Albertz erklärte dazu am Freitag:

„Ein Bekenntnis für das Asylrecht bleibt so lange eine leere Deklamation, als man nicht bereit sei, auf britischer und deutscher Seite praktische Konsequenzen daraus zu ziehen. Die mangelnde Bereitschaft westdeutscher Landesregierungen zu einem Flüchtlingsausgleich zwang zu dieser Maßnahme, die im Interesse der Flüchtlinge und des Landes Niedersachsen geschah.“

Die Uelzener Entschließung

Der Aktion war ein gewisser Erfolg beschieden, denn bereits zwei Tage später wurde in Uelzen für die Länder der Bi-Zone die „Uelzener Entschließung“ vereinbart, der dann am 11.11.1949 auch die Länder der französischen Seite beitraten. Das Lager wurde zunächst als bizonales Durchgangslager am 25.8.1949 wiedereröffnet.

Aufgrund der Vereinbarung wurden die sogenannten illegalen Einwander in den Durchgangslagern Gießen und Uelzen überprüft. Die nun eingesetzten 8-Länder-Kommissionen erteilten ab dem 1.9.1949 die Aufenthaltsgenehmigung: a) an politisch Verfolgte, b) aus Gründen der Menschlichkeit. Die Personen wurden durch die Länderkommissionen auf die Länder unter dem Vorsitz eines Beauftragten der Bundesregierung nach einem vereinbarten Schlüssel verteilt. Die Aufnahme war monatlich auf 2.840 Personen beschränkt. Die Aufnahme im Bereich der engsten Familienzusammenführung sollte weiterhin in landeseigener Zuständigkeit erfolgen.

Wer gilt als illegaler Grenzgänger?

Diese Neuregelung machte die Sache für die Flüchtlinge nicht einfacher. Selbst den Mitarbeitern musste während einer Team-Sitzung anlässlich der Wiedereröffnung als bizonales Lager zunächst nochmals erörtert werden, wer überhaupt als illegaler Grenzgänger anzusehen sei. Dies lässt auf eine allgemeine Verunsicherung schließen. Als illegale Grenzgänger wurden Personen definiert, die „die Zonengrenze von der russisch besetzten Zone her überschritten haben, ohne im Besitze von durch deutsche oder alliierte Stellen ausgestellte Zuzugsgenehmigung zu sein… Die Mitglieder der 8-Länder-Kommission waren sich darüber einig, dass bei der Aufnahme der illegalen Grenzgänger ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist.“ Um zu vermeiden, dass bereits abgewiesene Flüchtlinge nochmals im anderen Lager um Aufnahme nachsuchten, sei die Registrierung und Erstellung von Listen sowie der Austausch dieser Listen besonders wichtig.”

Die Atmosphäre im Lager blieb zunächst weiter angespannt, viele standen weiterhin „draußen vor der Tür“.** So bat der leitende Lagerarzt Dr. Kremp bereits auf der erwähnten Konferenz angesichts des Auftretens von spinaler Kinderlähmung im Landkreis, die circa 300 wartenden Menschen vor dem Lager möglichst bald durchzuschleusen, da die Verbreitung der Krankheit durch Menschenansammlungen begünstigt werde. Daraufhin wurde beschlossen, die Wartenden sofort in das Lager zu lassen.

neue Perspektiven

Das Land Niedersachsen hatte sich durch die neue Regelung eine gewisse Entspannung erhofft, indem die anderen Ländern garantierten, zumindest einen bestimmten Anteil von Menschen auch wirklich abzunehmen und nicht, wie in der Vergangenheit oft geschehen, einfach zurückzuschicken. Allerdings wurden die Uelzener Beschlüsse gewissermaßen von der Realität – der Flüchtlingsstrom aus Ostdeutschland brach nicht ab – überrollt, und Niedersachsen zielte bereits im Herbst 1949 auf eine bundesweite Entscheidung ab.