In der Anfangszeit bestand das Lager am Bohldamm aus vier RAD-Baracken, jeweils vier Waschräumen und Abortbaracken sowie 142 Finnen- und 150 Rundzelten aus Beständen des britischen Militärs. Bereits ab 1946 entstand die bald vielerorts bekannte kleine Barackenstadt. Die Verhältnisse im Lager können in dieser ersten Zeit nicht mehr als äußerst schlicht gewesen sein, dennoch waren die meisten Menschen froh, hier überhaupt angekommen zu sein.

Ein Zeitzeuge erinnert sich

Stellvertretend für die vielen Vertriebenen soll an dieser Stelle kurz auf das Schicksal von Georg Thönelt eingegangen werden, der im Sommer 1946 aus Schlesien – die Vertreibungsaktion erhielt den poetischen Namen „Aktion Schwalbe“ – nach Uelzen transportiert wurde. Er kann sich auch heute noch erinnern, dass die deutschen Bewohner am Mittwoch, dem 18. Juli 1946, aus seinem Heimatort Zopten herausgetrieben wurden. Man musste sich sammeln, wurde kontrolliert („gefilzt‘“) und hatte anschließend nach Kant zu laufen, wo sich der Bahnhof befand.

„Am Sonnabend sind wir verladen worden, und ich weiß noch, da stand der Zug und auf dem Waggon stand der Name Uelzen. Aber kein Mensch wusste, wo Uelzen lag. Wer kannte in Schlesien Uelzen? Aber mein Chef, der hatte sich eine Landkarte mitgebracht, auf der hat er Uelzen gesucht, und als er es südlich von Hamburg fand, dass es da also hingehen konnte, ja, da waren wir froh! Wir wussten ja nicht, wo es hin geht. Es konnte ja genauso nach dem Osten gehen, nicht wahr!“

Endlich in Uelzen angekommen spiegelt sich in Thönelts Schilderungen die große Erleichterung darüber wider, sich nun in Sicherheit zu befinden, aber auch Dankbarkeit für dıe Fürsorge im Bohldammlager. Er erzählt:

„In Uelzen hielt oben auf den Gleisen der Zug. Na ja, ein Zug mit Güterwagen. Da war eine riesige Rampe an den Gleisen. Unser Gepäck, jeder hatte einen Sack mit Bettwäsche und einen mit persönlichen Dingen, soweit man es ihm gelassen hatte, ließen wir oben stehen und gingen den Abhang hinunter. Wenn ich heute auf den Bohldamm zugehe, dann sehe ich immer noch die Rampe und denke, da sind wir heruntergelaufen! Und da standen lauter kleine Nissenhütten (Baracken), und wie wir da verteilt worden sind, mein Chef, seine beiden Nichten und ich kamen zusammen in eine Hütte. Die war mit Stroh belegt, dann haben wir uns hingesetzt, und die eine von unseren Damen ging und hat das Essen geholt. Und dann kam sie mit Essen, vorher waren wir natürlich registriert worden und das, aber dann kam sie mit Essen, und wie sie da kommt, da freut sie sich, und wir denken, jetzt kommt das Christkind! Mal was zu essen. Sie hatte eine Kanne mit Suppe, einer guten Suppe, und Brot, Butter und Wurst. Wir haben uns wirklich wohlgefühlt bei dem Essen, und es war ein guter Eindruck, den Uelzen auf uns gemacht hat! Wir hatten ja überhaupt keine Ahnung, was Uelzen ist, eine Stadt oder sonst was. Da draußen hat man ja überhaupt nichts gesehen von einer Stadt. Nun, wir waren da, und der Eindruck war dieser: Wir kriegten ordentlich zu essen! Nun, wo wir uns ein wenig ausgeruht hatten, registriert wurden wir wohl auch, dann ging alles auf die Lagerstraßen, die waren hell erleuchtet. Das war spät am Abend, und das war eine Freude! Dass man sich dort sah, man hat sich unterhalten! Das war wie in besten Zeiten! Wissen Sie, das ganze Jahr Zuhause, da hat doch kein Mensch auf der Straße gestanden und auf den anderen gewartet und sich unterhalten. Es wusste keiner Zuhause, was passiert, nicht wahr. Und jetzt auf einmal, haben wir uns den Abend richtig wohl gefühlt! Na, dann wieder in diese Hütte, aufs Stroh gelegt und geschlafen. Am nächsten Morgen, da war auch eine Kapelle eingerichtet, da waren wir zur Messe. Danach hörten wir, es geht mittags schon wieder los. Das hat uns Leid getan, dass wir von Uelzen losfahren mussten! Da stand schon der Zug, vorher war es ja nur ein Güterzug, dann ging es nach Hameln.”

Die sogenannte Aktion Schwalbe dauerte von Mai 1946 bis September 1947. In dieser Zeit setzte zusätzlich der Flüchtlingsstrom aus der sowjetisch besetzten Zone ein. Auch unter diesen Flüchtlingen befand sich ein großer Anteil von Ost-Vertriebenen. Um die vielen Ankommenden unterbringen zu können – im Sommer 1949 hielten sich im Lager auch sogenannte Luftbrückenflüchtlinge, die bis zur weiteren Klärung ihrer Fälle im Lager bleiben durften” -, wurden weitere Barackenbauten in Auftrag gegeben, vorübergehend mussten aber auch Gebäude innerhalb des Lagers zweckentfremdet sowie Gebäude außerhalb des Lagers genutzt werden.

Aufnahmekazitäten unklar

Trotz des großen Andrangs auf das Lager war die Aufnahmekapazität durch den Abbau der Zelte herabgesunken. Die Angaben über die Aufnahmefähigkeit sind nicht ganz eindeutig. Lagerleiter Brauner berichtete in einer Übersicht vom Januar 1952, dass die aufzunehmende Personenzahl im März 1949 auf 3.500 herabgesetzt worden sei, wogegen er im Juli 1949 von einer Aufnahmefähigkeit von etwa 2.000 Menschen gesprochen hatte. 1952 konnten nur 1.000 Zuwanderer aufgenommen werden, die Aufnahmezahl wurde zwischenzeitlich durch Neubauten wiıeder aufgestockt. Bis 1952 wurden 54 Baracken auf dem Gelände aufgebaut, die bis 1956 auf 60 Gebäude anwachsen sollten, die überwiegend mit Heraklitplatten verkleidet und verputzt worden waren. Nach erheblicher Auflockerung der Unterkünfte und Inanspruchnahme von Büros verfügte das Lager im Jahr 1958 über 1.000 Plätze für Flüchtlinge. Nachdem man in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst mit der desaströsen Situation umgehen und mit den anschwellenden Flüchtlingsströmen fertig werden musste, wurde Anfang der fünfziger Jahre begonnen, das Flüchtlingslager nach und nach mit einem gewissen Maß an Komfort auszustatten. Man ging offensichtlich davon aus, dass das Lager noch über einen längeren Zeitraum bestehen würde. So wurden die großen Sammelunterkünfte nach und abgeschafft, die Ausstattung der Räumlichkeiten verbessert und für einzelne Familien vergrößert, die Sanitären Bereiche verbessert und vergrößert und sogar für kulturelle Bedürfnisse gesorgt. Die Flüchtlinge erhielten seit Juli 1952 während ihrer Aufenthaltszeit im Lager ein kleines Taschengeld. Diese allgemeine Verbesserung an Ausstattung und Angebot im Lager wäre ohne die weitreichende Hilfe der karitativen und kirchlichen Organisationen des In- und Auslandes nicht möglich gewesen.

Die Organisationsstrukturen

Auch nach Verabschiedung des Notaufnahmegesetzes unterstand das Lager dem Land Niedersachsen. Die Lagerleitung bestand aus dem Lagerleiter, seinem Stellvertreter, dem Verwaltungsleiter und dem leitenden Lagerarzt. Aufgeteilt wurde in Ordnungsund Abfertigungsdienst, Verwaltungs-, Küchenund technischen Dienst sowie Gesundheitsdienst. Im Laufe der Zeit wurde nicht nur mehr Personal für die Verwaltung, Versorgung und den Gesundheitsdienst benötigt, sondern es wurden auch verschiedene Handwerker für die Instandhaltung des Lagers angestellt. Beispielsweise waren im Jahr 1960 u.a. drei Tischler, ein Schmied, ein Ofensetzer, ein Klempner, drei Maler, drei Zimmerleute, drei Maurer, ein Elektriker, zwei Gärtner und zwei Schuhmacher beschäftigt.

Das Aufnahmeverfahren unterstand der Kompetenz des Bundes und wurde entsprechend von Bundesbeamten durchgeführt. Ferner hatten das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, die Landeskriminalpolizei Niedersachsen, das Landesarbeitsamt Niedersachsen, die Sicherheitsorgane von Bund und Ländern sowie das britische Intelligence Team im Lager ihre Dienststellen eingerichtet. Außerdem waren noch die Ostbüros von SPD, CDU und FDP vertreten, bis 1954 die Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit, und ferner die freien Wohlfahrtsorganisationen. Dies waren: Arbeiterwohlfahrt, Britische Kinderhilfe, Caritas-Verband, Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Evangelisches Hilfswerk, Christlicher Verein junger Menschen (CVJM). Die karitativen Organisationen innerhalb des Lagers bildeten zusammen eine Arbeitsgemeinschaft, die ankommenden Spenden wurden zentral erfasst und weitergeleitet.

Die medizinische Betreuung und Versorgung

Von Anfang an stand die medizinische Betreuung und Versorgung im Lager an erster Stelle, um die Ankommenden zu versorgen. Gleichzeitig sollte eine Verbreitung ansteckender Krankheiten verhindert und die drohende Gefahr von Epidemien eingeschränkt werden. Mehr dazu finden Sie hier.